Katz & Maus
1976 sollten wir als Studenten der Dresdner Kunsthochschule mit unserer Unterschrift den Rauswurf von Wolf Biermann bejahen. In unserem Studienjahr haben nur die beiden Parteimitglieder unterschrieben, weswegen es Ärger und Repressalien gab. Im Zimmer des damaligen Rektors Fritz Eisel saß ich mehreren Stasi-Agenten gegenüber, die mir ins Gesicht sagten: „Wir wissen, dass Sie ein Staatsfeind sind, können es nur noch nicht beweisen …“
In diese Zeit fiel auch das große Sich-Finden und Experimentieren, auf der Suche nach meinem Weg als Künstler. Tägliches Zeichnen war selbstverständlich. Daneben machte ich mit dem Gitarristen Lothar Fiedler strukturelle Musik, spielte mit A. R. Penck und Michael Freudenberg in einer Malerband, experimentierte mit Super-8-Filmen, die ich teilweise übermalte, entwarf und druckte originalgrafische Bücher mit Gedichten befreundeter Poeten, aber auch mit Texten von Henry-Miller und Jacques Prevért.
Meine Super-8-Filme projizierte ich auf die Tänzerin Fine, malte live vor Publikum auf Overheadprojektoren und baute Objekte, die manchmal auch in der Öffentlichkeit gezeigt werden konnten: zB. beim Büchner-Projekt des Regisseurs Wolfgang Engel am Staatstheater Dresdner und in der mittlerweile legendären Ausstellung Dezennien I 1979, besser bekannt als Türen-Ausstellung im Leonhardi-Museum Dresden. Dort war ich auch in der Ausstellungsgruppe aktiv.
Jede Lücke, die im Druckgenehmigungsgesetz zu finden war, haben wir mit neuen Büchern und grafischen Werken genutzt. Das führte zu immer weiteren Verordnungen – die Gesetzeshüter rannten uns sozusagen hinterher. Am Tag des Freien Buches, dem 50. Gedenktag der Bücherverbrennung 1933, machte ich mit Freunden ein wirklich „Freies Buch“. Das führte ein Jahr später zu meiner Ausweisung. Genau am 10. Mai 1984, dem Tag, für den ich diese Aktion ein zweites Mal geplant hatte.
Heute klingt das Katz-und-Maus-Spiel amüsant, damals aber waren die Aktivitäten der staatlichen Organe existenzbedrohend.